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Das Bobath-Konzept

Geschichte

Entwickelt wurde das Bobath - Konzept von Dr. h.c. Berta Bobath (1906-1991) und Dr. Karel Bobath (1907-1991). Sie war Gymnastiklehrerin, er arbeitete als Neurologe und Psychiater, beide sind in Berlin geboren.

Die Entwicklung des Bobath- Konzeptes begann Mitte der 40er Jahre, als das Ehepaar schon in London lebte. Sie stellten fest, dass spastische Lähmungen durch bestimmte Körperstellungen und -bewegungen  beeinflussbar sind.

Anfänglich wurden mit der Methode vornehmlich Erwachsene (z.B. nach einem Schlaganfall) behandelt. In den 40er und 50er Jahren begann Berta Bobath damit, das Konzept auf die Behandlung von Kindern mit Entwicklungs- und Bewegungsstörungen zu übertragen.

Grundlagen

Seit den Anfängen in den 40er Jahren wurde das Konzept stetig weiterentwickelt, so dass neue Erkenntnisse und Forschungsergebnisse aus der Neurophysiologie, Medizin, Orthopädie, Psychologie, Pädagogik sowie aus empirischen Erfahrungen in das aktuelle Bobath- Konzept einfließen.

Das Konzept beruht auf folgenden Grundlagen:

  • Behandlung auf neurophysiologischer Basis
  • Ganzheitlicher Ansatz
  • Funktionelle Sichtweise (siehe Behandlung)

Voraussetzung zur Behandlung ist ein abgeschlossener Kinder- (10 Wochen) oder Erwachsenen- (3 Wochen) Bobath- Kurs.

Angewandt wird das Konzept als diagnostisches Mittel bei Kinderärzten, Neurologen sowie zur Diagnostik und Therapie in der Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie.

Behandlung

Voraussetzungen für die Behandlung sind die ärztliche Diagnose und die ergänzende fachspezifische Befunderhebung. Die Behandlung setzt differenzierte Kenntnisse über die normal- physiologische und über die pathologische Entwicklung sowie deren primäre und sekundäre Auswirkungen voraus.

Zu Beginn der Behandlung wird eine Befundaufnahme der Fähigkeiten und Schwierigkeiten auf körperlicher, emotionaler, kognitiver und sozialer Ebene dokumentiert. Zusätzlich werden individuelle Besonderheiten des Patienten, der Familie und des Umfeldes berücksichtigt.

Aus diesen Ergebnissen wird ein individuell abgestimmter Behandlungsplan mit Nah- und Fernzielen erstellt. Um Behandlungserfolge im Hinblick  auf die gestellten Ziele einschätzen zu können, findet während des gesamten Prozesses eine Wiederbefundung statt. So kommt es zu einem kontinuierlich adaptierten Behandlungs-Befund.

In der Behandlung wird durch gezielte Strukturierung der Therapieinhalte und des Raumes eine altersentsprechende, individuelle Umgebung geschaffen, die dem Patienten die Möglichkeit bietet, in seinen Fähigkeiten zu handeln und neue Funktionen zu erlernen.

Das Konzept ist darauf ausgerichtet, dem Klienten alltagsbezogene Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Da diese Funktionen aus eigenem Interesse gewählt werden, kommt es zu einem hohen Maß an Eigenaktivität und Eigenmotivation. Dies ist die Voraussetzung für erfolgreiches Lernen. Durch das Erreichen von eigenen Zielen werden das Selbstvertrauen gestärkt und ganzheitliche Kompetenzen auf körperlicher, emotionaler, kognitiver und sozialer Ebene erworben.

Im Bobath- Konzept werden durch Anwendung von speziellen Griff- und Haltungstechniken physiologische Haltungs- und Bewegungsmuster gebahnt (Facilitation) und pathologische Muster gehemmt (Inhibition). Da zentrale Störungen immer eine Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit und des Gefühls für die Bewegung darstellen, werden dem Patienten über das Unterstützen und Erleichtern von Bewegungen normale und ökonomische Bewegungs- und Spürerfahrungen ermöglicht. Besonderer Wert wird darauf gelegt, dass der Betroffene nur soviel Unterstützung erhält wie er benötigt, um seine Haltung, Bewegung und seinen Muskeltonus selbst zu organisieren. Durch das Wiederholen von physiologischen Bewegungen in Variationen werden im Gehirn Spuren gelegt, so dass therapeutische Zielsetzungen im Alltag umgesetzt und in sinnvolle Handlungszusammenhänge gebracht werden.

Für das Erreichen dieser Ziele kann es notwendig sein, Hilfsmittel wie z.B. Rollstuhl, Esshilfen, Schuheinlagen einzusetzen. Diese Alltagshilfen werden individuell an die Besonderheiten des Erwachsenen oder des Kindes angepasst und sollen eine größere Selbständigkeit im Alltag bewirken sowie Folgeschäden wie Deformitäten und Kontrakturen vorbeugen.

Um die Behandlung erfolgreich zu gestalten, ist die Zusammenarbeit mit dem Patienten wie auch mit seinen Bezugspersonen und den Mitgliedern des ärztlichen, therapeutischen, pädagogischen und pflegerischen Teams unerlässlich. Das bedeutet einen intensiven interdisziplinären Informations- und Erfahrungsaustausch aller Beteiligten sowie das Anleiten der Personengruppen, die alltäglich mit dem Betroffenen im Kontakt sind, in das individuell abgestimmte Handling.

Handling

Da Lernen normalerweise immer in alltagsbezogenen Situationen stattfindet, wurden Bereiche des täglichen Lebens wie Nahrungsaufnahme, Kommunikation, Körperpflege, An- und Ausziehen, Fortbewegung als alltagsnahe Behandlungsmöglichkeiten erkannt und genutzt und so das Handling entwickelt.

Berta Bobath definierte "HANDLING" 1984 folgendermaßen:

"Handling ist Teil der neurophysiologischen Entwicklungstherapie nach Bobath. Insofern soll dem Kind (Patient) das Gefühl für möglichst physiologische Haltungs- und Bewegungsabläufe ermöglicht werden, so dass diese Abläufe dem Kind (Patient) vertraut werden und er/es sie für sich übernehmen kann. Ziel dabei ist das Ermöglichen von individuell bestmöglicher Selbständigkeit im Handeln in Bezug auf die dafür erforderlichen Haltungen und Bewegungen".

Das Handling beinhaltet folgende Alltagssituationen:

- bei Säuglingen/schwerstbehinderten Kindern:

  • Hochheben und Hinlegen
  • Wickeln sowie An- und Ausziehen
  • Tragen
  • Nahrungsaufnahme
  • Spielen
  • Lagern

- bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen:

  • Aufstehen/ Hinsetzen oder -legen
  • An- und Ausziehen
  • Fortbewegung
  • Körperpflege/ Toilette
  • Essen/ Trinken
  • Spielen/ Arbeiten
  • Sitzen/ Stehen

Ziele

Ziel der Behandlung ist es, dem Kind oder älteren Patienten über Bewegungserfahrungen motorisches Lernen zu ermöglichen und ihm bei der Selbstorganisation zu helfen.

Durch die Bahnung physiologischer Bewegungsabläufe sollen eine verbesserte Haltungskontrolle und selektive Bewegungen erreicht werden. So werden koordinierte und effiziente Bewegungsabläufe begünstigt. Beim Patienten kann es dadurch zu zielgerichteten Aktivitäten kommen kann.

  • Sicherung der Vitalfunktionen vor allem bei schwer mehrfachbehinderten Patienten
  • Förderung der Kommunikation
  • Erreichen der größtmöglichen Eigenständigkeit im Handeln
  • Unterstützung der Selbstverantwortlichkeit des Patienten
  • Vermeiden von Kontrakturen und Deformitäten

Indikation

Bei folgenden Krankheitsbildern kann Bobath- Therapie angewandt werden:

  • Neurologische und zerebrale Bewegungsstörungen
  • Genetische und sonstige Veränderungen des Nervensystems
  • neuromuskuläre Erkrankungen
  • Entwicklungsverzögerungen
  • Sensomotorische oder kognitive Beeinträchtigungen